Sieben Fragen an Oliver Bukowski
Vom Schwelbrand zum Wortlaut
1. Wie kamen Sie auf die Idee für Ihr Stück "Kritische Masse"?
Na ja "Idee". Eigentlich war das mehr so eine Art Schwelbrand. Fragt sich nicht jeder, ob und wie man etwas gegen Entwicklungen tun kann, die einen anwidern?
Zudem hatte ich es satt, immer wieder hören zu müssen, wir Deutschen wären gegenwärtig zu lasch, zu blöd und geschichtsbedingt zu verhuscht für jederart Widerstand. Ich kannte es aus meinem Umfeld anders, etwas anders, komplizierter. Dann noch: Die Dramaturgien der Bühnen quengelten ewig nach einem Stück, dass sich gröberer sozialer Zusammenhänge annimmt. Und dann kam ein Anruf, und es wurde schnell klar, dass die Hamburger Dramaturgin Nicola Bramkamp und der Regisseur Sebastian Nübling sich ähnlich interessierten.
2. Warum schreiben Sie für das Theater?
Also das war so: In einer springflutgepeitschten Novembernacht hatte ich eine Marienerscheinung und dann...
Nein, bin da irgendwie reingerutscht, und es hat mir gefallen.
3. Was macht für Sie ein gutes Theaterstück aus?
Eben mehr als ein gutes Theaterstück: Die Minuten danach. Welchen Nachhall an Gedanken und Gefühlen richtet es an?
Ist da nichts, war das Stück auch nichts. Und umgekehrt: Um so mehr, desto besser. Und das meint jetzt nicht Belehrung, Nachdenklichkeit oder "Erkenntnis zu Loche tragen", das darf ebenso gut Verwirrung, Freude, Aufregung sein.
4. Wie wünschen Sie sich den Umgang eines/r Regisseurs/in mit Ihren Stücken?
Vielleicht gilt das jetzt schon wieder als größenwahnsinnig, aber ich meine immer noch: Für den Anfang wäre es ganz schön, wenn sie oder er das Stück gern inszenieren will. Genau dieses Stück und aus keinem anderen Grund. Dann: Unsere Intentionen sollten halbwegs übereinstimmen, und wir sind beide in der Arbeit bereit, das bessere Argument zählen zu lassen. Daraus folgt also, dass wir miteinander reden. Und noch: Respekt vor der Arbeit des je anderen. Dann, glaube ich, ist allerhand möglich. Ich bin tatsächlich nicht eitel zeilenverliebt, aber neulich hörte ich mich betteln: Lieber Direktor, du verwendest nur noch Bruchteile meines Textes und selbst die bei anderen Figuren, Zusammenhängen und Situationen. Könntest du nicht die paar übrig gebliebenen Sätze im Wortlaut sprechen lassen, wenigstens das? – So tief unten im Staub ist man ungern.
5. Welcher Tätigkeit würden Sie nachgehen, wenn Sie nicht Dramatiker wären?
Lesen.
Als Beruf dann vielleicht Nachtwächter in einem mickrigen Museum. Bissel mit Schlüsselbund durch die Räume schlurfen, die Türen kontrollieren – und dann lesen. Nur, so ein Job mag sich zwar vom Einkommen her gleichen, aber er ist rarer als der des Dramatikers.
6. Um welchen Satz beneiden Sie Ihre/n Lieblingsautoren/in?
"alles, was so tut, als wäre es alles – ist gar nichts" fand ich bei Werner Schwab mal so schlicht wie treffend. Und Lieblingsautor oder -autorin?
Hab ich nicht, ich liebe da mehr so querbeet.
7. Was war Ihr letztes bemerkenswertes Theatererlebnis?
Da halten sich bei mir noch immer die Hamburger und Freiburger Inszenierungen von Dea Lohers "Das letzte Feuer" und Felicia Zellers "Kaspar Häuser Meer" ganz oben: Andreas Kriegenburg und Marcus Lobbes.
Mehr zu Oliver Bukowski